Franz Cestnik

Kunst von Franz Cestnik.
Kunst von Franz Cestnik.

Von Peter Krüger_Lenz


“Frau mit Mütze“ von Franz Cestnik: Holzschnitt aus dem Jahr 1998.
“Frau mit Mütze“ von Franz Cestnik: Holzschnitt aus dem Jahr 1998. Quelle: Böhm

Ein ruhiger, ein bisschen erschöpfter Blick aus halbgeschlossenen Augen, ein Arm entspannt auf dem Bootsrand, der andere hängt herab, zwischen den Fingern locker eine Zigarette, zwischen den Beinen ein Eimer voller Fische. Schlicht „Fischer“ heißt diese Radierung von Cestnik. Andere heißen „Tänzerinnen“, „Paar auf Sofa“ oder „Frau mit Mütze“: eines der zentralen Motive in Cestniks Schaffen ist der Mensch. „Der Mensch ist es, der mich gefangen hält“, hat Cestnik einmal über seine künstlerische Motivation gesagt.

Große Münder, Hände, Augen – Mimik und Gestik sind unmittelbar präsent, mit wenigen Linien eindrucksvoll eingefangen.

Aber auch Stillleben, Holzschnitte von Vögeln und Szenen aus Landschaften, die Cestnik besucht hat, sind Motive des Künstlers. Alles Nebensächliche ist auch hier weggelassen. Strich und Linie begeistern mit Einfachheit und Leichtigkeit und sprechen den Betrachter unmittelbar an.

Künstlerischer Aufstieg

Cestnik wurde 1921 in Einbeck geboren. Als gelernter Musterzeichner entwickelte er einen individuellen Zugang zur Kunst. Nach dem Krieg verdiente er zunächst mit dem Malen von Stadtmotiven den Lebensunterhalt für seine Familie. Später begann der Autodidakt mit Porträts und Naturstudien.

Ab 1952 begann der künstlerische Aufstieg Cestniks. Er konnte zum ersten Mal an einer Ausstellung des Kunstvereins Hannover teilnehmen. 1954 folgt die erste Einzelausstellung in Hildesheim, zwei Jahre später in der Bremer Kunsthalle, wo er später noch mehrmals zu Gast war.

„Abseits der großen Tour“

Zahlreiche Ausstellungen finden sich in seiner Biografie und renommierte Kollegen wie Karl Schmitt-Rottluff kauften Cestnik-Werke für öffentliche oder auch für ihre eigenen Sammlungen.

„Abseits der großen Tour“ bewege sich der Einbecker in seinem Schaffen, schrieb ihm 1963 das „Brücke“-Mitglied Schmitt-Rottluff bewundernd.

Neben grafischen Arbeiten malte Cestnik auch viel mit Öl. Voller prächtiger, warmer Farben sind diese Gemälde.

Rainer Cestnik bei der Ausstellungseröffnung am Sonntag
Rainer Cestnik bei der Ausstellungseröffnung am Sonntag. Quelle: Böhm

Er sei froh, dass es mit der Ausstellung in der Galerie Supplement mal wieder Gelegenheit gebe, die Werke seines Vaters öffentlich zu zeigen, sagte Rainer Cestnik, der die Ausstellung eröffnete. Rainer Cestnik ordnet und archiviert die Arbeiten seines Vaters. Auf der Internetseite franz-cestnik.de sind Bilder aller Arbeiten seines Vaters aufgeführt.

192 Skizzenblöcke seines Vaters lagern noch in seinen Kellern, auch die möchte Rainer Cestnik noch auswerten und einsehbar machen, um die Arbeitsweise seines Vaters aufzuzeigen.

Die Ausstellung in der Galerie Art Supplement, Burg­straße 37a, ist bis Freitag, 17. August, montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 13 Uhr zu sehen.

Von Christiane Böhm


Weihnachtsthema in der Cestnik-Galerie

Einbecker Morgenpost 30.11.2016

Mutter mit Kind: Unterschiedliche Variationen des Motivs sind ab dem 3. Dezember zu sehen

»Mutter mit Kind« gehört zu den Werken, die in der Cestnik-Galerie, Tiedexer Straße 15, ab dem 3. Dezember neu ausgestellt werden.

Einbeck. Menschen nehmen im Werk des Einbecker Malers und Grafiker Franz Cestnik einen zentralen Platz ein. Er war aber kein Porträtmaler, schon gar keiner, der Aufträge für offizielle Bilder wichtiger Zeitgenossen angenommen hätte. Ihm ging es darum, Alltagsmenschen in ihrem normalen Leben einzufangen und dabei das Typische der dargestellten Situation herauszuarbeiten: Glück, Liebe, Trauer oder was auch immer.

Es ist also kein Zufall, dass wir in allen Perioden seines Schaffens Szenen zu sehen bekommen, die Mütter mit ihren Kindern zeigen. Die früheste der ab dem kommenden Sonnabend, 3. Dezember, in der Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße ausgestellten Arbeiten, eine Radierung, stammt aus dem Jahr 1956. Das jüngste Exponat, der Farbholzschnitt mit dem Titel »Familienausflug«, entstand mehr als 40 Jahre später 1998.

Die Dyade Mutter-Kind ist ein klassisches Motiv der bildenden Kunst – man denke nur, die Jahreszeit legt es nahe, an die unzähligen Bilder von Maria mit dem Jesuskind. Die Mutter-Kind-Motive Franz Cestniks stehen aber nicht in dieser Traditionslinie. Er zeigt keine idealisierten Ikonen der Mütterlichkeit, sondern die junge Mutter von nebenan. Aber auch bei ihm geht es darum, die liebevolle und sorgende Bindung zwischen ihr und ihrem Kind zu bebildern.

Fünf Grafiken widmen sich dem Thema des Behütens. Die Frau schließt ihr Kind schützend in ihre Arme, gibt ihm Halt und Sicherheit. Die älteste Radierung dieses Typs ist exemplarisch für das früh perfektionierte zeichnerische Talent des Künstlers. Mit wenigen, klaren Strichen gelingt es ihm, das Wesentliche der Beziehung zwischen Mutter und Kind festzuhalten.

Auch sechs Jahrzehnte nach dem Entstehen vermittelt sich dem Betrachter die klassisch-zeitlose Perfektion dieses Blattes. Einem Thema treu zu bleiben, heißt bei Franz Cestnik nie, dass er es nach einem einmal gefundenen Schema wiederholt. Zwei Radierungen (»Ängstliches Kind«, 1960, und »Mutter mit Kind«, 1966) variieren das Motiv in einer eher erzählerischen Perspektive. Mutter und Kind werden in eine Umgebung eingebettet, das Zuhause bietet ihnen einen schützenden Rahmen.

Die farbige Ätzradierung aus dem Jahr 1977 nimmt unter den ausgestellten Werken eine Sonderstellung ein. Die Komposition erhält nämlich durch ihre radikale Symmetrie und durch die eigenwillige Gestaltung vieler Details eine formalistische, fast surrealistische Note. Was bedeutet das helle Dreieck über dem Mittelscheitel der Frau? Wieso ist ihre Frisur in perfekten Kreisen um ihren Kopf arrangiert?

Wofür steht das Ornament mit den beiden runden Löchern, das Mutter und Kind vom Horizont des Bildhintergrunds abgrenzt? Diese Grafik setzt sich nicht nur mit der Mutter-Kind-Thematik auseinander, sondern ist zugleich eine Arbeit, in der sich der Künstler mit formalen Problemen der Bildgestaltung beschäftigt und sich dabei weit von reiner Gegenständlichkeit entfernt. Im Rückschluss auf die anderen Werke der Ausstellung lässt sich folgern, dass auch die komplett gegenständlichen Motive streng komponiert sind, dass es bei Franz Cestnik keine zufälligen Arrangements gibt.

Der Holzschnitt von 1984, auf dem das Kind seinen Arm kess nach oben reckt, was ein wenig an politische Kampfgesten erinnert (»Wir werden siegen!«), fällt besonders durch die kräftigen Arme und Hände der Mutter auf. Diese Frau kann mit Sicherheit nicht nur ihr Kind schützen, sondern, wenn erforderlich, im Leben kräftig zupacken. Sie ist, wie alle weiblichen Gestalten bei Franz Cestnik, eine starke Frau, die ihre Zuversicht auch ihrem Kind vermittelt.

Den aus Vertrauen erwachsenden Mut erkennt man deutlich beim Ölbild aus dem Jahr 1968, wo Mama ihren Schützling spielerisch auf die Schulter nimmt, was den Kleinen dazu bringt, wie ein großer Triumphator die Welt zu grüßen. Wir sollten den Ausstellungsmachern dankbar sein dafür, dass sie für ihren Mutter-Kind-Zyklus auch eine Radierung und einen Holzschnitt ausgewählt haben, wo sich zu den beiden Hauptdarstellern ein Mann gesellt.

In der Radierung von 1960 blickt der junge Vater durch ein Fenster auf Mutter und Kind in der Wohnstube und hebt seine rechte Hand zum Gruß. Die liebevoll-behütende Gesamtstimmung der Grafik ist für jeden Betrachter eindeutig spürbar. Der späte Holzschnitt mit dem Titel Familienausflug gesteht dem Vater eine tragende Rolle zu.Anders als in dem Ölbild ist es hier der Mann, der den Nachwuchs huckepack genommen hat, vermutlich, weil der Kleine keine Lust mehr hatte, zu Fuß zu gehen. Wer kennt nicht diese Szene, die als Foto wohl jedes Familienalbum schmückt. So entzückend wie Franz Cestnik die junge, stolze, sonntäglich gekleidete Familie ins Bild setzt, verdient sie es allerdings nicht, zwischen den Deckeln eines Albums zu verschwinden.

oh


Von Franz Cestnik: Ein frühes Sinnbild des Krieges

Einbecker Morgenpost 17.05.2017

Einbeck. Vor gut 45 Jahren war in der Einbecker Morgenpost dieses Foto zu sehen. Anlässlich einer Einzelausstellung von Werken Franz Cestniks in den Wandelgängen des Theaters am Hubeweg hatte die »EM« den Künstler in seinem Atelier interviewt und berichtete darüber in der Ausgabe vom 25./26. März 1972.

Das Foto zeigt Franz Cestnik. Auf der Staffelei neben ihm steht ein großes Ölbild mit dem Titel »Bedrohung/Der Krieg« Er hatte damals erläutert, dass er grundsätzlich das malt, was ihn beschäftigt, unabhängig davon, ob er damit das Publikum verstört oder Beifall erwarten kann.

Er erklärte auch, dass ihn das grausame Geschehen im Bürgerkrieg in Biafra, der von 1967 bis 1970 in diesem Teil Afrikas tobte, angeregt habe, seine Anklage gegen die Grausamkeit des Krieges in die Form einer Allegorie zu fassen. Die schockierende Botschaft hatte also einen konkreten Anlass.

Aktuell werden im Rahmen der Ausstellung Franz Cestniks fantastische Bilder in der Cestnik-Galerie eine Radierung und ein Holzschnitt gezeigt, die dem Motiv des Bildes vom Krieg sehr ähnlich sind. Der Verbleib des Ölbilds ist derzeit nicht bekannt.

oh


Von der Skizze bis zum Bild

Cestnik-Ausstellung befasst sich mit arbeitsintensivem Entstehungsprozess

»Von der Skizze bis zum fertigen Produkt«, wie dieser Prozess bei Franz Cestnik ablief, das erklärte Rainer Cestnik bei der Ausstellungseröffnung.

Enbeck. Ein langer Weg sei es bis zum fertigen Werk, erklärte Rainer Cestnik. Unter dem Motto »Von der Skizze bis zum fertigen Produkt« werden in der Cestnik-Galerie in der Tiedexer Straße die Entstehungsprozesse der Radierung »Frauenkopf« (1992), des Ölbilds »Stillleben mit Palette« (1990) und des Holzschnitts »Frau mit Vogel« (1983) gezeigt.

Bei der Ausstellungseröffnung dankte Rainer Cestnik Hauseigentümerin und Sammlerin Marga They für die Möglichkeit, immer wieder Werke von Franz Cestnik ausstellen zu können. Nach der Darstellung der Entstehungsprozesse folgen im Mai Liebespärchen, ab dem 3. August, dem Geburtstag von Franz Cestnik, will man Teile des Ateliers ausstellen.

Schon lange Zeit sei sie mit den Bildern von Cestnik verbunden, sagte They. Er war ein besonderer Künstler mit großer Schaffensgabe. Nach der ersten »documenta« in Kassel schien die figürliche Malerei aus dem Bewusstsein zu verschwinden, erklärte sie. Als Bewunderin und Käuferin seiner Werke habe sie viele Jahre in Einbeck nach Räumlichkeiten gesucht, die besonderen Bildnisse würdig zu präsentieren. Seit 2016 geschieht dies in der Cestnik-Galerie mit wechselnden Ausstellungen. Sie lud zum Besuch ein und dazu, sich an den außergewöhnlichen Werken des Künstlers zu erfreuen.

Für Interessenten bietet Rainer Cestnik, der Sohn des Künstlers, die Möglichkeit, sich mit ihm, Telefon 05561/1389, zu verabreden, um die technischen Aspekte der Anfertigung von Radierungen, Holzschnitten und Ölbildern in der Galerie zu erläutern. Der Besuch des Cestnik-Ateliers ist ebenfalls möglich.

Zudem hat er drei Jahre an dem Werkskatalog »Von der Skizze zu Radierung, Holzschnitt oder Ölbild« gearbeitet. Ein umfassendes Werk mit 370 Seiten entstand. Den Katalog stellte Cestnik bei der Ausstellungseröffnung vor. In Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Connect gibt es die Möglichkeit, DVDs und USB-Sticks mit Erläuterungen der Werke zu bekommen. Interessierte können sich telefonisch an Rainer Cestnik wenden.

Jeder Künstler müsse über Kreativität und Talent verfügen, ohne sie käme nie etwas Gutes zusammen, zitierte Cestnik Dr. Klaus-D. Eubel. Franz Cestnik hatte beides umfassend, er war sehr rege und qualifiziert in drei Berufsfeldern: in Radierung, Holzschnitt und Ölmalerei samt ihrer benötigten unterschiedlichen technischen Prozeduren, Werkzeuge und Materialien. Vergleiche man die Zeichnungen mit den endgültigen Arbeiten, falle auf, wie sorgfältig schon die Skizzenarbeiten waren. Sie seien so perfekt, dass sie als Kunstwerke auch für sich allein bestehen könnten, sagte einst Günter Busch, ehemaliger Direktor der Kunsthalle Bremen.

Rainer Cestnik erklärte, sein Vater war bestrebt, seine Zeichnungen immer wieder neu aufzugreifen, sie zu modifizieren und in immer neuen Radierungen, Holzschnitten und Ölbildern zu variieren. Die Übertragung erfolgte nie als «normale« Reproduktion, sondern immer als bewusstes Transponieren in die spezifischen ästhetischen Anforderungen der jeweiligen Kunstform.

Auf den ersten Blick scheine die Zeichnung mit dem Frauenkopf von 1978 originalgetreu auf die Druckplatte für die Radierung (1992) kopiert zu sein. Das gelte aber nur für die Strichzeichnung der Silhouette. Die filigrane Ausarbeitung der Augäpfel und die zarte Abschattung der Lippen tauchen erst in der Radierung auf. Fatal an der Zinkplatte sei, dass, wenn man sich verrissen habe, man sie wegschmeißen könnte, erklärte Rainer Cestnik. Filigrane Skizzen erstellte Franz Cestnik oft in der Küche der eigenen Wohnung, bevor er sie im weiteren Prozess mit Kreide nachzog und sie dann auf Zinkplatte übertrug.
Beim Vergleich mit dem fertigen Ölbild »Stillleben mit Palette« von 1990 erkenne man, dass die komplexe und geheimnisvolle Komposition bis ins Detail schon in der Vorzeichnung von 1987 vorgeplant wurde. Unter anderem sei in der Zeichnung auf der Staffelei schon die noch jungfräuliche Farbpalette des Malers aufgehängt. Etwas im Abseits sehe man ein fertiges Bild und symmetrisch dazu ein offenes Atelierfenster, das wie ein Bilderrahmen wirke.

Eingebaute Rätsel im Werk entstanden nicht spontan, sondern schon in der Vorplanung. Drei Jahre »reifte« die Komposition bis zum fertigen Bild. Zuerst mit Kohle skizziert, wurden dann die Konturen herausgeholt, bevor Cestnik das Bildnis mit Ölfarbe auf Leinwand brachte. Oft nutzte er die Rückseite für weitere Werke.

Beim Holzschnitt »Frau mit Vogel« von 1983 falle zuerst die Änderung des Formats auf, so Rainer Cestnik. Das Bild sei auf der Holzplatte größer als die ursprüngliche Zeichnung von 1979. Feinfühlige Abtönungen einiger Partien wurden in schroff gegeneinander gesetzte schwarze und farbige Flächen überführt. Auch Details wurden verändert: Die Kugeln der Kette, die die Frau auf der Zeichnung trage, werden in ein kantigeres Ornament umgewandelt, das besser zum Charakter des Holzschnitts passt.

Rainer Cestnik erklärte, dass sein Vater fleißig und umtriebig war. Zahlreiche Holzschnitte, Radierungen und Ölbilder trug er für den Werkskatalog zusammen. 192 Skizzenblöcke seines Vaters mit jeweils 30 Bildern durchforstete er. Zur Betrachtung der Ausstellung über Entstehungsprozesse in der Cestnik-Galerie lud er ein.

mru


art²…….Cestnik-Vernissage

Tangobrücke 21.03.2010